Testament, gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag? Der Notar erklärt die Unterschiede.

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Der Notar erklärt die Unterschiede.

Einleitung

Wer seinen Nachlass regeln möchte, steht häufig vor der Frage: Soll ich ein Testament machen – und wenn ja, ein Einzeltestament oder ein gemeinschaftliches Testament? Oder ist ein Erbvertrag sinnvoller?

Juristisch gibt es mehrere Instrumente:

• das Einzeltestament,

• das gemeinschaftliche Testament von Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern und

• den Erbvertrag.

Sie unterscheiden sich vor allem in zwei Punkten:

1. Wer entscheidet mit? (einseitige oder gemeinsame Gestaltung)

2. Wie stark ist die Bindungswirkung? (wie leicht kann ich später wieder ändern?)

Dieser Beitrag erklärt die Unterschiede so, dass Mandanten verstehen, welches Instrument zu welcher Lebenssituation passt – und wo der Notar Gestaltungsspielraum hat.

Testament- Einzeltestament und gemeinschaftliches Testament

Einzeltestament

Das Einzeltestament ist die klassische Form:

• Es stammt von einer Person (dem Erblasser).

• Es ist eine einseitige Verfügung von Todes wegen.

• Es kann eigenhändig (handschriftlich) oder notariell errichtet werden.

• Es kann jederzeit einseitig widerrufen oder durch ein neues Testament ersetzt werden.

Vorteile:

• maximale Flexibilität

• Änderungen jederzeit möglich

• für viele Standardfälle ausreichend

Nachteile:

• bei eigenhändigen Testamenten: Formfehler, Unklarheiten, Widersprüche

• keine verbindliche Abstimmung mit anderen Beteiligten (z. B. Ehegatten, Kindern)

Gemeinschaftliches Testament

In Deutschland können Ehegatten und eingetragene Lebenspartner ein gemeinschaftliches Testament errichten (z. B. das bekannte „Berliner Testament“).

Merkmale:

• zwei Testierende in einer Urkunde

• gemeinsame erbrechtliche Verfügungen (z. B. „wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein, die Kinder zu Schlusserben“)

• rechtlich kein Erbvertrag, aber mit besonderen Bindungsregeln (§§ 2265 ff. BGB)

Die berühmten wechselbezüglichen Verfügungen (z. B. gegenseitige Erbeinsetzung, Schlusserbeneinsetzung der Kinder) sind:

• zu Lebzeiten beider Ehegatten einseitig widerruflich,

• der Widerruf muss jedoch notariell erklärt und dem anderen Ehegatten zugeleitet werden (§ 2271 BGB),

• nach dem Tod eines Ehegatten ist der überlebende Ehegatte an die wechselbezüglichen Verfügungen grundsätzlich gebunden.

Was ist ein Erbvertrag?

Der Erbvertrag ist – anders als das Testament – ein Vertrag:

• er wird zwischen mindestens zwei Personen geschlossen (z. B. Erblasser und künftiger Erbe, Ehegatten, Kinder, Pflegepersonen),

• er bedarf immer der notariellen Beurkundung,

• er enthält häufig sogenannte vertragsmäßige Verfügungen (z. B. Erbeinsetzung, Vermächtnisse),

• diese vertragsmäßigen Verfügungen können – je nach Gestaltung –

• bindend oder

• einseitig widerruflich sein.

Und hier liegt der entscheidende Vorteil des Erbvertrags:

Die Parteien können im Erbvertrag vereinbaren,

• was einseitig widerruflich bleibt,

• was nur gemeinsam geändert werden kann,

• ob Rücktrittsrechte oder Bedingungen gelten sollen.

Damit ist die Bindungswirkung im Erbvertrag gestaltbar, während sie beim gemeinschaftlichen Testament gesetzlich vorgegeben ist.

Unterschied: Gemeinschaftliches Testament vs. Erbvertrag

Gemeinschaftliches Testament

• Nur Ehegatten / eingetragene Lebenspartner

• Wechselbezügliche Verfügungen:

• zu Lebzeiten → einseitig widerruflich,

• nach dem ersten Todesfall → Bindung des Überlebenden

• Möglichkeit des einseitigen Widerrufs nicht abdingbar (aber formstreng: notarieller Widerruf gegenüber dem Partner)

Erbvertrag

• Für Ehegatten, Lebenspartner, Kinder, Dritte, Unternehmer etc.

• Bindungswirkung frei gestaltbar:

• einzelne Regelungen widerruflich, andere endgültig bindend

• Ausschluss des einseitigen Widerrufs möglich

• Kombination mit Versorgungs- oder Gegenleistungsregelungen

Für wen eignet sich was?

Wann passt ein Einzeltestament?

• Alleinstehende ohne komplexe Vermögensverhältnisse

• einfache Familienkonstellationen

• wenn der Erblasser sich Änderungen offenhalten will

• gute Lösung, wenn noch viel im Fluss ist (z. B. Vermögensaufbau, junge Familien)

Wann passt ein gemeinschaftliches Testament?

• Ehegatten / Lebenspartner, die „klassisch“ regeln wollen:

• gegenseitige Erbeinsetzung

• Kinder als Schlusserben

• typisches Berliner Testament

• Wunsch: Überlebender Ehegatte soll zunächst abgesichert sein

Wann ist ein Erbvertrag sinnvoll?

• Patchwork-Familien (Kinder aus verschiedenen Beziehungen)

• Unternehmer, die die Unternehmensnachfolge verbindlich regeln möchten

• Konstellationen mit Gegenleistung:

• Pflege eines Elternteils,

• Mitarbeit im Betrieb,

• Übernahme von Verpflichtungen

• Familien, die hohe Planungssicherheit und klare Absprachen wünschen

Flexibilität vs. Planungssicherheit

Einzeltestament

→ maximale Flexibilität, alles bleibt einseitig steuerbar.

Gemeinschaftliches Testament

→ gemeinsamer Wille von Ehegatten, mit Bindungswirkung nach dem ersten Todesfall, aber gesetzlich vorgegebenen Widerrufsregeln.

Erbvertrag

→ vertragliche Gestaltung mit Möglichkeit, die Bindung für einzelne Regelungen maßgeschneidert festzulegen (von frei widerruflich bis nahezu „zementiert“).

Kosten: Testament vs. Erbvertrag

Die Kosten für notarielle Testamente und Erbverträge richten sich nach dem aktuellen Vermögenswert zum Zeitpunkt der Beurkundung, nicht nach dem prognostizierten Vermögen zum Zeitpunkt des Todes.

Beim eigenhändiges Testament entstehen zwar keine Gebühren, dafür besteht aber hohes Fehler- und Streitpotenzial. Der Vorteil beim notariellen Testament bzw. Erbvertrag zeigt sich erst später: Es bedarf nämlich regelmäßig keines gerichtlichen Erbscheines.

In vielen Fällen sind die Notarkosten im Verhältnis zu möglichen späteren Erbstreitigkeiten sehr gering.

Fazit

Es gibt kein „besser“ im abstrakten Sinn – die richtige Gestaltung hängt von der Lebenssituation und dem Planungsziel ab:

• Wer flexibel bleiben möchte, ist mit einem (notariellen) Einzeltestament gut bedient.

• Ehegatten, die klassisch regeln wollen, nutzen häufig das gemeinschaftliche Testament.

• Wer hingegen verbindliche, fein abgestimmte Absprachen treffen will – etwa in Patchwork-Konstellationen, bei Unternehmen oder Gegenleistungen – ist mit einem Erbvertrag meist besser beraten.

Der Notar hilft dabei, die passende Lösung zu finden und die Bindungswirkung bewusst zu gestalten, statt sie dem Gesetz zu überlassen.

Call-to-Action

Sie möchten klären, ob in Ihrem Fall ein Testament, ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag sinnvoll ist?

Wir beraten Sie individuell, erklären die rechtlichen Folgen und gestalten mit Ihnen eine Lösung, die zu Ihrer persönlichen und familiären Situation passt.

Häufige Fragen zum Thema „Testament oder Erbvertag“

Kann ein Erbvertrag einseitig widerufen werden?

Ja – wenn der Erbvertrag dies ausdrücklich zulässt.

Die Vertragsparteien können einseitig widerrufliche oder bindende (vertragsmäßige) Verfügungen vereinbaren.

Nur wenn im Erbvertrag der einseitige Widerruf ausgeschlossen ist, können vertragsmäßige Verfügungen nur noch gemeinsam geändert oder aufgehoben werden.

Was ist der wichtigste Unterschied zum gemeinschaftlichen Testament?

Im gemeinschaftlichen Testament (z. B. Berliner Testament) können Ehegatten wechselbezügliche Verfügungen zwar einseitig widerrufen – aber diese Widerrufsmöglichkeit kann nicht ausgeschlossen werden.

Beim Erbvertrag dagegen kann die Bindungswirkung frei gestaltet werden, einschließlich des Ausschlusses des Widerrufs.

Für wen eignet sich ein Erbvertrag besonders?

Ein Erbvertrag ist ideal für:

• Ehepaare, die verbindliche Regelungen wünschen

• Patchwork-Familien

• Unternehmer und Selbstständige

• Konstellationen mit Gegenleistung (Pflege, Mitarbeit im Betrieb)

Kurz: überall dort, wo Planungssicherheit und klare Absprachen notwendig sind.

Reicht ein eigenhändiges Testament aus?

Für einfache Vermögensverhältnisse: Ja.

Aber sobald Immobilien, Unternehmen oder komplexe Familienverhältnisse im Spiel sind, sollte ein notarielles Testament oder Erbvertrag bevorzugt werden, um Fehler, Streit und Unklarheiten zu vermeiden.

Was kostet ein Erbvertrag?

Die Kosten richten sich nach dem Vermögen (GNotKG).

Ein Erbvertrag ist teurer als ein Testament, bietet aber:

✔ hohe rechtliche Sicherheit

✔ klare Bindungswirkung

✔ weniger Streit im Erbfall

Was passiert, wenn einer der Vertragspartner später eine neue Verfügung trifft?

Wenn eine Verfügung im Erbvertrag bindend vereinbart wurde, ist eine spätere abweichende Verfügung unwirksam, sofern der Vertrag nicht gemeinsam geändert wurde.

Widerruflich ausgestaltete Verfügungen können hingegen weiterhin geändert werden.

Was passiert nach der Scheidung bei Erbvertrag oder Berliner Testament?

Die im Erbvertrag oder im gemeinschaftliches Testament enthaltenen wechselbezügliche Verfügungen werden mit Scheidung meist automatisch unwirksam. Eine Besonderheit besteht allerdings dann, wenn der Erbvertrag noch vor der Eheschließung beurkundet wurde. In einem interessanten Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) (Beschluss vom 22.5.2024 – IV ZB 26/23) klargestellt, dass ein Erbvertrag, der vor einer Eheschließung oder Verlobung geschlossen wurde, nicht automatisch unwirksam wird, wenn die Ehe später geschieden wird – die Vertragsparteien müssen also aktiv handeln.