Beispiel: Ein türkischer Staatsbürger lebt seit Jahrzehnten in Deutschland. Er besitzt eine Immobilie in Deutschland. Er möchte in seinem Testament regeln, dass für seinen Nachlass das deutsche Erbrecht gilt.
Deutsch-türkischer Konsularvertrag
Für in Deutschland lebende türkische Staatsangehörige bestimmt sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht zwar grundsätzlich nach den Vorschriften der Europäischen Erbrechtsverordnung vom 04.07.2012. Allerdings sind vorrangig bilaterale Abkommen zu beachten, die in den Mitgliedstaaten in Kraft sind. Insoweit ist aus deutscher Sicht der „Deutsch-Türkische Konsularvertrag“ vom 28.5.1929 (RGBl. II 1930, S. 747) vorrangig zu beachten (sog. Nachlassabkommen). § 14 Nachlassabkommen bestimmt das auf die Erbfolge anwendbare Recht wie folgt: Die erbrechtlichen Verhältnisse bestimmen sich in Ansehung des beweglichen Nachlasses nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte. Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre.
Aufgrund des deutsch-türkischen Konsularvertrages wird also das Immobilienvermögen in Deutschland nach deutschem Recht vererbt, während hinsichtlich des beweglichen Vermögens (Bankvermögen etc.) türkisches Heimatrecht zur Anwendung käme („Nachlassspaltung“).
Welche Möglichkeiten eröffnet die doppelte Staatsbürgerschaft?
Seit dem 27.06.2024 ist es in Deutschland möglich, die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit gleichzeitig zu besitzen (doppelte Staatsbürgerschaft). Es stellt sich daher die Frage, ob nunmehr im Testament eine Rechtswahl getroffen werden kann, dass insgesamt das deutsche Erbrecht zur Anwendung und eine „Nachlassspaltung“ vermieden wird.
Nach überwiegender Auffassung ist auf deutsch-türkische Doppelstaatler das Nachlassabkommen nicht anzuwenden. Hintergrund ist, dass im Rahmen eines Konsularabkommens Doppelstaater von jedem der Staaten als „Inländer“ behandelt werden können, mithin also der Anwendungsbereich des Abkommens überhaupt nicht eröffnet ist. Damit würde sich aus deutscher Sicht mangels Anwendbarkeit des Nachlassabkommens die Erbfolge ausschließlich nach den Vorschriften der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) beurteilen. Gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO unterliegt die Erbfolge den Vorschriften des Rechts des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die materielle Wirksamkeit einer einseitigen Verfügung von Todes wegen gelangt gem. Art. 24 Abs. 1 EuErbVO das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Lebt also ein deutsch-türkischer Doppelstaatler in Deutschland, ist davon auszugehen, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. d. EuErbVO in Deutschland hat. Damit würde aus deutscher Sicht der gesamte Nachlass den Vorschriften des deutschen Rechts unterliegen. Etwas anderes könnte sich allenfalls dann ergeben, sollte später der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland aufgeben werden. Allerdings könnte für diesen Fall im Testament eine Klausel aufgenommen werden, mit der die Erbfolge dem deutschen Heimatrecht unterstellt wird. In diesem Fall wäre über Art. 22 EuErbVO aus deutscher Sicht die Anwendbarkeit des deutschen Erbrechts gewährleistet. Art. 22 EuErbVO bestimmt insoweit ausdrücklich, dass ein Mehrstaater das Recht jedes der Staaten wählen kann, dem er zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung oder aber auch zum Zeitpunkt seines Todes angehört. Damit kann also ein in Deutschland lebender türkischer Staatsangehöriger aus deutscher Sicht bereits heute vorsorglich für den Fall, dass er später einmal die deutsche Staatsangehörigkeit erhält, das deutsche Erbrecht wählen.
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